Der aktuelle HINTERGRUND Ausgabe 2021-09

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

Nach dem Ende der Urlaubszeit ist es durchaus möglich, dass sich bei der Durchsicht der Urlaubspost herausstellt, dass das Finanzamt den Steuerbescheid geschickt hat. Nicht nur, dass Sie wegen der langen Bearbeitungszeit die Bescheidzustellung völlig aus den Augen verloren haben. Nein - die festgesetzte Steuer ist augenscheinlich falsch und Rechtsmittel sind jetzt geboten. Und da liegt das Problem: Die Einspruchsfrist ist abgelaufen. Was nun? Für diese Fälle hat die Abgabenordung im § 110 eine „Zeitmaschine“ integriert. Sie trägt den Namen „Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand“. Kommen Sie mit auf die Zeitreise, die mit einem Antrag ausgelöst werden kann!

 

Anwendungsfälle

Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, greift bei Versäumnissen von gesetzlichen Fristen. Die Einspruchsfrist eines Einkommensteuerbescheides wäre eine solche Frist. Sie beträgt – ohne auf die Besonderheiten der Berechnung an dieser Stelle genau eingehen zu wollen – einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides. Mit der Faustformel Datum des Bescheides + 3 Tage + einen Monat liegen Sie in den meisten Fällen richtig. Handelt es sich ggf. sogar um einen Bescheid, der eine Steuernachzahlung anfordert, dann rechnet das Finanzamt das Ende der Rechtsbehelfsfrist sogar vor. Die Fälligkeit der Steuer ist in diesen Fällen angegeben und weist die letzte Möglichkeit bis 24.00 Uhr des angegebenen Tages aus, Einspruch einzulegen.

Und sollte diese Frist überschritten sein, dann ist der Bescheid rechtskräftig. Pech gehabt. Jetzt sollten die Änderungsmöglichkeiten von rechtskräftigen Bescheiden geprüft werden. Die Wiedereinsetzung gehört dazu.

 

Voraussetzungen

Eines vorweg: Die Änderung eines rechtskräftigen Bescheides ist ein Vorgang, bei dem sich eine Behörde regelmäßig vor dem Hintergrund des formellen Rechtsfriedens und der materiellen Richtigkeit von Bescheiden schwertut. Daher ist die wesentliche Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, dass Sie kein Verschulden für das Versäumnis der Frist trifft! Dabei reicht einfache Fahrlässigkeit schon aus. Allerdings muss der Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. Hier sind die Erwartungen an „Profis“, wie dem Steuerberater, natürlich andere als an den nicht fachlich vorgebildeten Steuerpflichtigen.

 

Bei Urlaubsreisen, die nicht länger dauern als 6 Wochen, wird es wohl keine Schwierigkeiten machen, die Wiedereinsetzung zu erwirken. Dazu ist es sodann erforderlich, dass die Wiedereinsetzung mit einem Antrag gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht wird. Dieser Antrag sollte schriftlich gestellt werden und ist wiederum fristgebunden, indem er spätestens nach einem Monat nach Wegfall des Hindernisgrundes gestellt werden muss. Wer diese Frist dann ebenfalls verpasst, dem ist dann wirklich nicht mehr zu helfen.

 

Besonderheiten

Ist es allerdings bekannt, dass Sie öfter auf längeren Geschäfts- oder Urlaubsreisen sind, dann sind die oben erwähnten sechs Wochen nicht in Stein gemeißelt. Oder Sie wissen von vornherein, dass Ihre Abwesenheit länger als die genannte Zeitspanne andauern wird. In diesen Fällen müssen Sie Maßnahmen ergreifen, die das Verpassen von Fristen ausschließen soll. Das kann durch bestellte Hilfspersonen oder aber Vertreter erfolgen. In beiden Fällen muss eine sorgfältige Prüfung vorgenommen werden, ob sich die ausgewählten Personen für die Zuweisung der Aufgaben auch eignen. Besonders die Auswahl eines Vertreters hat weitreichende Folgen, da die Fehler des Vertreters einem selbst zuzurechnen sind. Fehler bei Hilfspersonen, wie z. B. Boten, sind Ihnen grundsätzlich nicht ohne besonderen Grund zuzurechnen.

 

Sonstige Wiedereinsetzungsgründe

Die Gründe für das Verpassen von Fristen sind vielfältig. So gilt Arbeitsüberlastung zum Beispiel nicht als Wiedereinsetzungsgrund. Auch „Irrtümer“ aller Art schließen die Änderung eines Steuerbescheides aus. Selbst bei Krankheit sind die Voraussetzungen sehr streng. Hier muss die Schwere und die Unvermutbarkeit der Krankheit nachgewiesen werden, die die Vornahme der erforderlichen Handlung durch den Erkrankten oder die Benennung eines Bevollmächtigten ausgeschlossen hat.

 

Auf ganz dünnem Eis bewegen Sie sich auch, wenn Sie die Dauer des Postlaufes bei rechtzeitiger Einlegung des Einspruchs für sich in Anspruch nehmen wollen.

 

Beratungsempfehlung

 

Benennen Sie Ihren Steuerberater als Empfangsbevollmächtigten für Ihre Steuerbescheide, sodass Sie Ihren Urlaub in diesem Fall ganz entspannt genießen können!

Ihr Jens Bunte

 

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