Der aktuelle HINTERGRUND Ausgabe 2019-07

Die Phantomlohn-Falle

Die Phantomlohnfalle. Hört sich spektakulär an. Wie aus einem Agentenfilm. Nun ist es bekanntlich so, dass wir Steuerberater selten „Spielfilm-Action“ vermitteln. Aber über eine echte „Beitragsfalle“ die sich durch „Phantomlöhne“ ergibt und ab dem 01.01.2019 eine echte Gefahr darstellt, kann ich heute aber dennoch berichten.

 

Phantomlohn – was ist das?

Phantomlohn ist eine Bezeichnung aus der Lohnbuchhaltungspraxis. Bei der Versicherung von Beschäftigungsverhältnissen unterscheidet man nach dem Entstehungsprinzip und dem Zuflussprinzip. Das Zuflussprinzip ist leicht erklärt. Wie der Name schon sagt, wird der Zufluss von Löhnen geprüft. Ist Lohn zugeflossen, dann unterliegt er der Versicherungspflicht. Im Sozialversicherungsrecht gilt dieses Zuflussprinzip aber nur bei Einmalentgelten. Das bedeutet also, dass die Beiträge auf solche Einmalzahlungen nur fällig werden, wenn auch eine Auszahlung dieser Leistungen erfolgte. Typische Beispiele für solche „Eimalentgelte“ sind Weihnachtsgelder, Belohnungen/Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsgelder oder die Auszahlung von nicht genommenen Urlaubsansprüchen.

 

Anders ist das allerdings bei laufenden Lohnansprüchen. Bei laufenden Lohnansprüchen werden Versicherungsbeiträge nicht erst dann fällig, wenn der Lohn zur Auszahlung kommt. Nein, die Versicherungspflicht setzt bereits dann ein, wenn nur der Anspruch auf den Lohn „entsteht“. Ob dieser Lohnanspruch zur Auszahlung kommt, ist völlig egal. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden fällig! Man spricht vom Entstehungsprinzip.

 

Werden also Löhne versicherungspflichtig, die es praktisch gar nicht gegeben hat – dann kann man verstehen, warum die Bezeichnung „Phantomlohn“ Sinn ergibt.

 

Ist die Phantomlohnproblematik neu?

Nein, neu ist diese Problematik nicht. Bis zum 31.12.2002 galt diese Handhabung auch für Sonderzahlungen. Aktuell fand sich die Phantomlohnproblematik regelmäßig bei der Prüfung des Mindestlohnes wieder. Arbeitnehmern, die tatsächlich weniger als den Mindestlohn ausgezahlt bekommen haben, wurde für die Beitragsfindung allerdings der Mindestlohn unterstellt und der Lohn sodann fiktiv um die Differenz zum Mindestlohn erhöht.

 

Ab dem 01.01.2019 hat sich das Problem „Phantomlohn“ aber wesentlich verschärft. Grund ist, dass der Gesetzgeber die flexible Arbeitszeit fördern möchte. Es soll ermöglicht werden, Arbeit dann abzurufen, wenn sie benötigt wird. Dazu existiert das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Um die Arbeitnehmerschaft aber vor grober Willkür zu schützen und einem ungeregelten Abruf von Arbeitszeiten vorzubeugen, wurde der Paragraf 12 dieses Gesetzes wesentlich verschärft. So bestimmt der Gesetzgeber, dass die wöchentliche und tägliche (Rahmen-) Arbeitszeit schriftlich festgelegt werden muss. Geschieht das nicht, dann wird gesetzlich unterstellt, dass die vereinbarte Arbeitszeit 20 Stunden pro Woche betragen soll.

 

Wer läuft Gefahr in die Phantomlohn-Falle zu geraten?

Natürlich sind es die geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisse (450-EURO-Job/Mini-Job)! Hier wird immer weniger als 20 Stunden wöchentlich gearbeitet. Die Besonderheit dieser Mini-Jobs ist es, dass sie für den Arbeitnehmer völlig vom Einbehalt von Versicherungsbeiträgen befreit sind. Alle Abgaben werden pauschal vom Arbeitgeber abgeführt. Allerdings ist es bei solchen Jobs die Praxis, dass solche Verträge oft mündlich abgeschlossen werden oder aber wirklich „Arbeit-auf-Abruf-Jobs“ sind. Wenn in diesen Fällen keine Vereinbarung über die Arbeitszeit schriftlich festgehalten wurde und somit der fiktive Ansatz der 20 Wochenstunden nach dem Gesetz berücksichtigt werden muss, dann ergibt sich unter Anwendung des aktuellen Mindestlohnes ein „Phantomlohn“ i. H. v. 796,77 € (!) – egal wieviel Sie wirklich gearbeitet haben. Und 796,77 € sind ganz offensichtlich mehr als die erlaubten 450,-- €. Das Mini-Job-Arbeitsverhältnis ist kaputt.

 

Beratungshinweis

Überprüfen Sie Ihre Arbeitsvereinbarungen bezüglich der Arbeitszeit. Ergänzen Sie diese, falls es noch keine schriftliche Fixierung gibt.

Aber Achtung: Wählen Sie nicht einen willkürlichen Wert. Das TzBfG lässt bei Mindestarbeitszeiten nur eine tatsächliche Abweichung von 25 % und bei der Vereinbarung von Höchstarbeitszeiten nur eine Fehlmarge von max. 20 % zu. Die Aufzeichnung der tatsächlichen Arbeitszeit versteht sich von selbst.

Das Steuerrecht kennt diese Problematik übrigens nicht. Hier gilt grds. das Zuflussprinzip.

 

Ihr Jens Bunte

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